Welche deutschen Städte sind die Hochburgen der Sexarbeit, und wie könnte sich die Branche in den kommenden Jahren entwickeln? Vor dem Hintergrund der anstehenden Bundestagswahl gewinnt die Debatte über die Einführung des sogenannten Nordischen Modells an Dynamik. Dieses Modell würde den Kauf sexueller Dienstleistungen unter Strafe stellen. Doch welche Konsequenzen hätte dies für Städte, Kommunen und die Sexarbeiter:innen selbst? Mit dem Redlight Index Germany 2025 wird ein Versuch unternommen, die aktuelle Situation einzuordnen.
Methodologie
Die Erobella-Studie „Redlight Index Germany 2025“ liefert einen Einblick in die aktuelle Situation der Sexarbeit in Deutschland. Dabei wurden 20 deutsche Städte anhand von drei Schlüsselfaktoren analysiert:
Anzahl der Bordelle vor Ort
Anzahl der aktiven Sexarbeiter:innen
Unterstützung durch Organisationen wie Beratungsstellen und NGOs
Alle Werte wurden auf die Anzahl der Einwohner pro Kopf umgerechnet und auf einer Skala von 1 bis 10 standardisiert. Das Ergebnis ist der “Redlight Index Germany 2025”.
Hintergrund
Deutschland ist eines der wenigen Länder, in denen Prostitution legal und durch das Prostituiertenschutzgesetz reguliert ist. Doch die politische Diskussion über die Einführung des Nordischen Modells erhält immer mehr Zuspruch. In Ländern wie Schweden, Norwegen und Frankreich wurde dieses Modell bereits umgesetzt: Es kriminalisiert den Kauf sexueller Dienstleistungen, lässt aber die Anbieter:innen straffrei. Ziel ist es, die Nachfrage zu reduzieren und Prostitution langfristig einzudämmen.
Verbände wie der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen (BESD), der Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen (BSD) und die Deutsche Aidshilfe warnen vor erheblichen Nebenwirkungen dieses Modells. Sie befürchten, dass ein Verbot des Sexkaufs die Prostitution in den Untergrund drängt und die Sicherheit sowie die Arbeitsbedingungen der Sexarbeiter:innen massiv verschlechtert.
Ergebnisse des Redlight Index: Nürnberg ist die Rotlicht-Hauptstadt Deutschlands
Mit einem Score von 21.6 Punkten führt Nürnberg die Liste als „Rotlicht-Hauptstadt Deutschlands“ an
Düsseldorf folgt auf dem zweiten Platz (21.4 Punkte): Die Stadt zeichnet sich vor allem durch eine vergleichsweise hohe Zahl von Sexarbeiter:innen vor Ort aus.
Auf dem dritten Platz landet die Bankenmetropole Frankfurt am Main (18.3 Punkte). Sie erzielt in fast allen Kategorien überdurchschnittliche Werte und ist sowohl für Bordelle als auch für Independent-Escorts ein wichtiger Standort.
Städte wie Hamburg und Berlin, die historisch für ihre Rotlichtviertel bekannt sind, rangieren überraschend weit unten.
Städte
Bordelle
Sexworker
Organisationen
Score
Nürnberg
10.0
6.9
4.6
21.6
Düsseldorf
6.8
10.0
4.6
21.4
Frankfurt a.M.
6.8
5.3
6.2
18.3
Duisburg
3.9
6.1
6.9
16.9
Stuttgart
4.3
5.5
6.2
16.0
Bochum
3.2
4.1
8.5
15.7
Bonn
0.2
5.1
10.0
15.3
Wuppertal
3.2
9.6
2.3
15.1
Münster
4.8
2.7
6.2
13.6
Leipzig
3.0
4.9
4.6
12.5
Essen
1.8
4.3
5.4
11.5
Hannover
1.1
5.5
4.6
11.3
Bielefeld
3.2
2.2
5.4
10.8
München
4.3
6.3
0.0
10.6
Dortmund
0.2
5.5
3.8
9.6
Köln
3.2
4.5
1.5
9.2
Bremen
0.0
3.1
5.4
8.4
Dresden
0.7
0.8
4.6
6.1
Berlin
4.5
0.4
0.0
5.0
Hamburg
1.1
0.0
2.3
3.4
Was bedeutet es, wenn es in Deutschland keine Bordelle mehr gibt?
Die Einführung des Nordischen Modells würde tiefgreifende Auswirkungen auf die Gesellschaft und Wirtschaft haben. Kritiker:innen warnen, dass dies die Sicherheit der Sexarbeiter:innen erheblich gefährden und ihre Lebensbedingungen verschlechtern könnte.
Auch wirtschaftlich wären die Folgen gravierend. Schließen alle Bordelle und erotischen Einrichtungen ihre Türen, entfallen nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch erhebliche Steuereinnahmen. Laut der Gewerkschaft ver.di setzt das deutsche Rotlichtgewerbe jährlich etwa 14,5 Milliarden Euro um. Für Kommunen, insbesondere in den deutschen Rotlicht-Hochburgen Nürnberg, Düsseldorf und Frankfurt am Main, würde dies zu massiven finanziellen Einbußen führen.
Auch Ola Miedzysnka, Mitgründerin von Erobella, erklärt: “Sexarbeit ist integraler Teil unserer Gesellschaft – eine Realität, die nicht durch Verbote verschwindet, sondern durch Dialog und Evaluierung sicherer gemacht werden kann. Die kriminalisierenden Maßnahmen des Nordischen Modells könnten aber genau das Gegenteil dessen bewirken, was sie zu erreichen versuchen – statt Schutz und Würde fördern sie Unsicherheit und Isolation.“
Wie geht es nach der Bundestagswahl weiter?
Die Diskussion um das Nordische Modell könnte die rechtlichen und gesellschaftlichen Grundlagen der Sexarbeit in Deutschland nachhaltig verändern. Die Ergebnisse des „Redlight Index Germany 2025“ zeigen, dass Prostitution nicht nur ein urbanes Phänomen der Millionenmetropolen ist – sie ist in allen Teilen des Landes präsent.
Die Zukunft der Branche wird entscheidend davon abhängen, ob Politik und Gesellschaft bereit sind, Sexarbeit als Teil der Gesellschaft anzuerkennen, und wie sie mit den aktuellen und lokalen Herausforderungen umgehen. Es bleibt abzuwarten, ob pragmatische Lösungen gefunden werden, die sowohl die Sicherheit der Sexarbeiter:innen als auch die Interessen der Gesellschaft wahren.